DER ABENDLÄNDER


Dokumentarfilm, Österreich / Deutschland, 1985-2001
82 Min, Digi Beta, Farbe
Premiere: Diagonale, Graz, 2001


Der in Graz geborene Schriftsteller Helmut Eisendle hat in sieben europäischen Städten gelebt und gearbeitet. In dieser Zeit schrieb er über dreißig Romane, Hörspiele und Essays, in welchen er eine „dialogische Bewußtseinsliteratur“ entwickelte, den Text zu einem koketten Tanz der Begriffe und Definitionen machte aus dem ein Wortfluß mit nachhaltiger Wirkung für Sprache und Literatur wurde.
Der Film folgt dem Dichter in das „nachtländische Reich“, also jene Bereiche des Lebens, die sich Nachts in den Bars und Kneipen der Städte öffnen, wenn man trinkt und redet, wenn man beginnt nachzudenken über das Leben, die Liebe und den Tod. Es ist ein Begriff, den der Autor sehr früh begonnen hatte literarisch zu bearbeiten. Der Film ist ein Roadmovie in das Abendland des Helmut Eisendle.
Der Abendlaender ist der Versuch den Weg durch die Zeiten des Literaten zu finden, eine Reise zu wagen entlang seiner Literatur, die diesen fraktalen Zustand beschreibt. Der Abstraktheit des Textes steht das Reale entgegen, Spiegelung einer Fiktion des Dokuments. Der Film zeigt in essayistischer Weise die Weltsicht des Schriftstellers und Sprachforschers Helmut Eisendle. Der Familienvater und extensive Wirtshausnutzer gerät – ähnlich den Protagonisten seiner Romane – in den unendlichen Strom des Redens und Denkens: Über Gott und die Welt des Abendlandes.
Die erste Station dieses surrealen Roadmovies ist der Geburtsort Graz, wo Eisendle mit 51 Jahren dem jungen aufstrebenden Grazer Autor Werner Schwab begegnet. Die Beiden bereiten eine Lesung vor.
30 Jahre zuvor schrieb Eisendle in Barcelona, wo er damals mit seiner Frau und seinem Sohn lebte, einen quasi- autobiographischen Text: über die Flucht aus einer vorgezeichneten bürgerlichen Karriere. Im Januar 2000 liest er dieses Manuskript für die Kamera und es beginnt eine filmische Reise rückwärts.
Man sieht ihn 1985 mit seiner damaligen Frau und dem nun bereits 25-jährigen Sohn bei der Gestaltung eines Fluxusabends in Wien. In der „Alten Schmiede“ dem Wiener Literaturhaus findet die sogenannte „actionfraction N 1“ statt. Die ganze Familie- samt neuem Lebensgefährten der Frau- stellt Kunstwerke her, von Malerei bis zum gebundenen Buch.
Mit dieser Familie lebte Eisendle 1977 in Barcelona. Im Jahr 2000 entschließt er sich seinem zweiten Sohn (von seiner zweiten Frau) diese Stadt zeigen und fliegt mit dem 11jährigen Valentin der Erinnerung entgegen.
Dort treffen beide schließlich auf die Romanfiguren aus der Vergangenheit. Eisendle spielt mit am Billardtisch, während Fernandez und Luis die beiden Protagonisten des Spiels das „nachtländische Reich“ definieren.
Dazwischen folgt der Film den Orten des Geschehens in biographischer Reihenfolge. Gedreht wurde aber nicht immer zu jenem Zeitpunkt, als Eisendle dort lebte, sondern später und unter anderen Umständen. Aus der zeitlichen Veränderung der „vergangenen“ Orte und der Personen aus anderen Zusammenhängen, ergibt sich ein metonymes, verschobenes Bild des Lebens, eine Spannung, die der Film nicht nur sucht sondern auch findet. Erzählt werden die Geschichten in der Geschichte des Helmut Eisendle.
Es sind dies Treffen und Begegnungen mit seinen Söhnen, mit Frauen und Freunden, mit Schriftstellerkollegen und zaubernden Mechanikern in Triest, mit Wirten, Weinbauern und Malern in Österreich, mit seinem damaligen Züricher Verleger Ammann, mit einem befreundeten Maler und Buchhändler in Amsterdam, der ihm 180 Gramm Wurst als Buch verkauft. Im Film zu sehen sind u.a. Werner Schwab, Manfred Mixner, Bernhard Frankfurter, italienische und holländische Freunde, man hört Helmut Qualtinger sprechen und vernimmt die unterschiedlichste Musik von Mozart bis zu Ben Webster.
Der Abendlaender ist keine Biographie, vielmehr ein Kaleidoskop eines Schriftstellerlebens, ein dokumentarisch-surrealistisches Roadmovie, eine Irrfahrt durch die Sprache der Jahre.


Stab

Regie: Peter Zach
Kamera: Peter Zach, Stephan Settele, Heinz Trenczak, Ricardo Iscar Alvarez
Ton & Montage: Peter Zach, Stephan Settele
Digitaleffekte: PZF
Aufnahmeleitung & Übersetzung: Anuschka Seifert
Produktion: PZF-Produktion, Jana Cisar


Medien


Unterstützt durch:

Bundeskanzleramt: Kunstsektion Abteilung 4/II
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